Luther-Oratorium

Luther Oratorium (Teil 4)

Liebe Sängerinnen, liebe Sänger,

heute möchte ich euch die Story des Luther Oratoriums weitererzählen. Wer die ersten drei Teile noch nicht gelesen hat, kann das hierhier und hier schnell nachholen. Heute geht es um die Verhöre, wir kommen also zum Kern der Handlung. Aber lest selbst, wie es im Luther Oratorium weitergeht.

Das hier sind unsere Probentermine in dieser Woche:

Mo., 29. August, 19.30 – 21.30 Uhr    Tutti
Di., 30. August, 19.30 – 21.30 Uhr    alle Frauen
Do., 1. September, 19.30 – 21.30 Uhr    alle Männer
So., 4. September, 18.00 – 21.00 Uhr    Tutti

Bitte versucht insbesondere die Probe am Sonntag Abend wahrzunehmen. Dort können wir in Ruhe alles zusammenfügen, was wir bis dahin gelernt haben.

Die Verhöre (Lieder 10 bis 18)

Lied 10: Gottes Kinder

„Gottes Kinder“ ist eine echte Gute-Laune-Nummer.

Wir sind Gottes Kinder
wo auch immer. Keiner ist allein.
Wir sind Gottes Kinder,
lasst uns mutig und wahrhaftig sein
und frei!

Das ist der Refrain. In den Strophen wird in die Handlung eingeführt. Jetzt ist das Verhör, Luther kommt in schwarz gekleidet. Alle können sehen, wie er zu seinem Termin beim Kaiser geht. Wir werden daran erinnert, dass ihm Feuer und Verderben drohen.

Rein literarisch betrachtet, frage ich mich, wer das lyrische Ich im Refrain ist. Das Volk in Worms ist es nicht. Der theologische Stand der damaligen Zeit sah nun mal deutlich düsterer aus, sonst hätte ja kein Ablasshändler eine Chance gehabt.

Das lyrische ich könnten auch wir sein, also wir Chorsänger, die im Moment der Aufführung zu dem Zeitpunkt in der Geschichte Martin Luther Mut zusprechen wollen. Wie ein allwissender Erzähler können wir das machen, denn wir wissen schon, wie die Geschichte weitergeht, nämlich dass Luther überleben wird und er der Theologie und Geistesgeschichte der abendländischen Welt entscheidende Impulse gegeben hat und auch weiterhin geben wird.

Der Song baut Energie aus. Jetzt geht es zur Sache, das erste Verhör fängt an. Wir sind dabei und schauen zu und singen Luther eine Erkenntnis zu, die er erst einige Stunden später in aller Klarheit selbst gewinnt – zumindest im Plot des Luther Oratoriums.

Lied 11: Erstes Verhör

Ein tiefer Ton erklingt – sonst nichts. Die Gute Laune des letzten Songs weicht der Ernsthaftigkeit der Situation. Der Chor setzt ein mit der Melodie von „Christ ist erstanden“ – kein Text. Binnen weniger Sekunden sind wir durch die Klänge um 500 Jahre in die Vergangenheit gereist und sitzen mit Martin Luther zusammen in einer alten gothischen Kirche in Worms.

Die Musik wechselt. Von einem unerbittlichen Rhythmus begleitet beginnt Faber, der erste Ankläger, mit seinen Anklagen und Einschüchterungen. Gesandte kommentieren und verstärken die Anklage. Es fallen Wörter wie „Wichtigtuerei“, „Schund“, „Ketzerei“, „um Gnade flehen“.

Der Chor sitzt daneben und schaut zu. Und kommentiert:

Warum blickt er sich um?
Warum bleibt er stumm?
Warum zögert er? Warum?

Drei neue Figuren namens „Skriptura“ treten auf. Jetzt ist der Moment, in dem ich doch einen Exkurs in die Theologie Martin Luthers wage. Aus Blog-systematischen Gründen verlinke ich hier den Beitrag zu Luthers Theologie. Nach der Lektüre erklärt sich dann auch – wobei es nicht die Hauptsache des Beitrags ist – wer oder was „Skriptura“ ist.

Die 3 Skriptura weisen darauf hin, dass die Antworten in der Bibel, der Heiligen Schrift, zu finden sind, nämlich diese:

Christus spricht: Wer mich verleugnet vor den Menschen, den will auch ich verleugnen beim Gericht vor dem himmlischen Vater.

Der Chor kommentiert:

Was geht wohl in im vor? Woran denkt er jetzt? Wann entschließt er sich? Wozu?

Dann kommt Luther auch selbst zu Wort: Es gehe nicht um ihn, er wäre gerne demütig und namenlos.  Aber er brauche Bedenkzeit, um sich sicher zu sein, dass das, was er sagt, seine Überzeugung ist und seiner Loyalität, seinem Glauben zu Gott entspricht.

Zerknirscht und unbefriedigend endet das Verhör mit einem Tag Bedenkzeit für Martin Luther. Spannungshöhepunkt im Luther Oratorium.

Lied 12: Luthers Hammerschläge

Dieses Lied ist ein Rückblick zu dem 31. Oktober 1517, dem Tag, an dem Luther die 95 Thesen an die Tür Schlosskirche in Wittenberg nagelte. Die Thesen waren in lateinischer Sprache und für die wissenschaftliche Diskussion gedacht. Ich meine, er hätte die Thesen auch in einem Youtube-Video erklären können, aber ein bisschen altmodisch ist dieser Luther schon.

Die Intro des Songs ist ein vierstimmiger Choralsatz zu der Melodie „Am Anfang war das Wort“. Und dann kommt eine unglaublich schöne Musik. Rhythmisch schwebend und in steffenesker Manier ist es, als würden die Glocken an einem Festtag leuten, während die Solisten vom Thesenanschlag und seinen Auswirkungen erzählen. Die Melodie des Chorals „Ein feste Burg ist unser Gott“ – natürlich von Martin Luther – ist eingearbeitet und verleiht der Musik Stärke, Glanz und Majestät.

Lied 13: Das Heilige Geschäft

Jetzt treten die Bänker auf. Geld regiert die Welt – munkelt man. Und wenn das stimmt, dann war das auch 1521 schon so. In der Person „Fugger“, die Fugger waren eine Bänkerfamilie aus Augsburg und Marktführer unter den europäischen Banken der damaligen Zeit, wird jetzt mal Klartext gesprochen:

Luther stört den Ablasshandel. Ohne Ablasshandel aber bricht das ganze Finanzsystem zusammen. Der Papst hat sich bei den Fuggern Geld geliehen, dass er durch den Ablasshandel erwirtschaften will. Bevor das Geld beim Papst ankommt, verdienen etliche Andere daran, der Ablasshändler, der Landesfürst etc. Alle kalkulieren mit den Einnahmen aus diesem Geschäft und haben ihre regelmäßigen Ausgaben an diese Einnahmen angepasst. Der Druck, dass dieses System nicht zusammenbricht, ist extrem hoch.

Und die Musik? Erst bedrohlich, dann super witzig. Sehr coole Nummer. Ich liebe diesen Song!

Lied 14: Anfechtung

Zurück in die Handlung des Luther Oratoriums. Luther hat nach dem 1. Verhör einen Tag Zeit und ich denke mal, er hatte keine ruhige Nacht. So suggeriert zumindest dieser Song.

Philipp Melanchthon, Freund und Mitreformator Martin Luthers, erzählt von Luthers Ringen um die Wahrheit, um seine quälenden Zweifel, seine innere Zerrissenheit. Mönchischer Gehorsam und das eigene Gewissen sind nicht miteinander vereinbar. Die innere Kakophonie der vier in Gesangssolisten personifizierten Zweifel singen, klagen, zerren und streiten die ganze Nacht in Luthers Kopf. Es ist kaum auszuhalten. Luther steckt (mental) fest. Egal wohin, es gibt keine gute Lösung, die allem gerecht wird.

Eine neue Figur tritt auf: Paulus, der Apostel. Paulus war, so erzählt das Neue Testament, ein erfolgreicher Missionar im 1. Jahrhundert und hat uns in den Briefen, die er an die von ihm im Mittelmehrraum (Griechenland und Rom) gegründeten Gemeinden geschrieben hat, einen großen theolischen Schatz hinterlassen. Er war ein gebildeter griechischer Jude und verfolgte zunächst die ersten Christen. Aber er hatte ein sehr krasses Bekehrungserlebniss und wurde zum wichtigen Missionar für nichtjüdische Menschen. Weil er ein gebildeter Grieche war, sind seine Briefe in griechisch geschrieben und außerdem gramatikalisch, semantisch und inhaltlich ziemlich komplex. Gerade befinden wir uns in Predigreihe 2, in der immer über Brieftexte gepredigt wird. Etwa jede zweite Predigt bis zum 1. Advent wird noch über Texte von Paulus sein.

Also: Paulus tritt auf. Ein Bass. Das strahlt Alter, Würde und Seriösität aus. Paulus sagt: der Römerbrief wird dich befreien. Und die drei Skriptura singen „Am Anfang war das Wort…“. Das ist ein bisschen unstringend. Denn „Am Anfang war das Wort“ ist der Anfang vom Johannes-Evangelium. Aber danach kommt die Essenz, die Luther bei Paulus im Römerbrief findet:

Jusitifaktio sola fide. Sola gratia.
(Gerechtigkeit allein aus Glauben, allein aus Gnade)

Damit ist bei Luther der Knoten geplatzt. Jetzt sieht er es. Er hat die Wahrheit erkannt und kann sich jetzt sicher sein.

Oh ja, jetzt seh ich! Endlich versteh ich das Wort ist Gnade: Die Schrift macht uns frei! Das Wort schenkt den Glauben. Gott ist das Wort. Glaube und Gerechtigkeit schenkt uns nur Gott allein.

Lied 15: Hier steh ich. Amen

Jetzt, wo Luther das für sich geklärt hat, kann er in das nächste Verhör gehen. Aber darauf müssen wir noch drei Lieder warten. Zunächst hören wir in diesem Lied den gelösten und befreiten Luther singen:

Hier stehe ich, ich kann nicht anders. Und wünsch ich mir auch Frieden. Es gibt kein Zurück.

Der Chor unterstützt ihn mit „Amen“, eine alte hebräische Akklamationsformel, die Zustimmung ausdrück. Man kann sie etwa mit „So sei es“ übertragen.

Musikalisch ist diese Nummer eine 6/8-Ballade im Gospel-Style. Sie hat Kraft, aber ganz überzeugt hat sie mich noch nicht. Mal sehen, vielleicht kommt das ja noch.

Nr. 16: Nichts hören, nichts sagen, nichts sehen

In Song Nr. 16 erscheinen verschiedene Interessensvertreter vor dem Kaiser und erläutern, warum was als nächstes mit Luther geschehen soll.

Zuerst erscheint Kurfürst Friedrich von Sachsen und argumentiert für Luthers freies Geleit. Dann erscheint Faber, der für den Papst spricht, für die Verbrennung Luthers. Dann äußert sich Kaiser Karl und will sich eigentlich nichts sagen lassen, sondern ohne Rücksicht auf Abmachungen, Versprechen und andere Dinge der Vergangenheit entscheiden. Naja, ihn kümmert nicht sein dummes Geschwätz, oder das seines Vaters, von gestern…

Musik: Der Chor stimmt ein mit einem Refrain mit dem Text „Oh“, musikalisch in Fußballstadion-Manier. Ich mag das.

Lied 17: Mut

Lara, die alte Schulfreundin von Martin, bekommt hier ihren zweiten Song im Luther Oratorium. Sie sitzt verarmt und deswegen (keine Steuern gezahlt -> Kirchenbann) von der Kirche verbannt als Bettlerin in Worms. Martin erkennt sie zwar nicht, spricht ihr aber Mut zu. Abgesehen von einem weiteren Einblick in damalige Lebensumstände erleben wir einen weiteren Aspekt des im Glauben gestärkten und befreiten Martin Luther:

Gott liebt dich so, wie du bist. Was auch war oder ist. Er gibt dich nie verlorn.
Gott liebt dich, hört dein Gebet, wenn dich keiner sonst versteht. Gib niemals auf. Beginn von vorn.

Lied 18: Zweites Verhör

Der Chor kommentiert mit einem Choralsatz zu der Melodie „Christ ist erstanden“ die Ankunft Martin Luthers zum Verhör mit den Worten „ungebeugt“, „stolz“ und „Gott steh im bei“.

Und jetzt kriegt Luther so richtig den Colt aus der Hose und redet Tacheles. Lest selbst:

Man weiß draußen und hier, Willkür und Gier sind schuld an Furcht und Elend. Rom beherrscht dieses Land. Mit harter Hand plündert es Gold und Seelen.

Kein Gesetzt dieser Welt steht über der Heiligen Schrift. Christus sagt: Hab ich die Unwahrheit gesprochen? Dann beweist es mir. Und deshalb sag auch ich: Überführt mich des Irrtums.

Es geht gar nicht um mich. Es geht nur um das Wort der Schrift. Ich kämpfe darum als Christ, weil Christus sagt: Ich bring nicht nicht Frieden, sondern das Schwert. Ihr müsst nur in die Bibel sehen. Wer Gott nicht hört, wird grausam untergehen. Der Pharao war selbst schuld an Ägyptens Qual. Ich bin hindurch.

Unbequeme Worte. Da ist kein Verhandlungsspielraum mit den Vertretern der Kirche mehr. Jetzt ist endgültig losgetreten, was zuvor noch offen war. Luther ist jetzt ein Gejagter!

Nachspann

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Der nächste Blogbeitrag, weiter mit dem Abschluss des Luther Oratoriums, erscheint am Samstag morgen.

Und ansonsten sehen wir uns bei den Proben für das Luther Oratorium. Bis dann, viele Grüße

Gudrun

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