Martin Luther

Gedanken zu Luther für junge Menschen heute

Gedanken über Luther für junge Menschen von Heute

Liebe Sängerinnen und Sänger,

heute habe ich für euch einen Artikel über Luther von Günter Wasserberg, Referent in der Arbeitsstelle zum Reformationsjubiläum 2017 der Nordkirche, einen Text, den ich euch ebenfalls hier zu Verfügung stellen möchte und freundlicherweise auch darf. Wem der Name bekannt vorkommt: Pastor Wasserberg hat vor Jahren in Niendorf mal 6 Monate vertreten, als Maren Gottsmann in den USA war. Ich habe ihn in der Zeit sehr zu schätzen gelernt und seine Predigten sehr gerne gehört. Bevor es aber hier mit dem Text von Günther Wasserberg weitergeht, bin ich euch noch einen Lektüre-Tipp schuldig. Als es um Luthers Biographie ging, wollte ich euch noch ein Buch empfehlen. Das möchte ich jetzt nachholen.

Hier meine beste Empfehlung: Der Autor Johann Hinrich Claussen war Hauptpastor an St. Nicolai und einer der Pröpste im Kirchenkreis Hamburg-Ost und ist jetzt Kulturbeauftragter der EKD (Evangelische Kirche in Deutschland). Auf 175 Seiten beleuchtet er kurz und interessant nahezu alle Aspekte rund um die Reformation.

Johann Hinrich Claussen, Die 95 wichtigsten Fragen: Reformation

Und für alle, die es super ausführlich haben wollen (728 Seiten):

Heinz Schilling, Martin Luther. Rebell in einer Zeit des Umbruchs. Eine Biographie.

Aber nun zu dem angekündigten Text:

Gedanken zu Luther für junge Menschen heute

Von Günter Wasserberg

Luther ist weit weg! Überhaupt schon mal was von ihm gehört? Wohl kaum. Martin Luther spielt in unserer Zeit und Gesellschaft kaum eine Rolle. Das Mittelalter ist spannend als Fantasy-Computerspiel – aber ohne jeglichen realen Bezug. Was also könnte an diesem Mann, der vor 500 Jahren in Deutschland gelebt hat, für junge Menschen interessant sein – unabhängig von eurer Religion und kulturellen Herkunft?

Luther war ein Mensch wie du und ich. Kein Heiliger, sondern ein ganz normaler Mensch. Er wuchs behütet in einer – heute würde man sagen – Mittelstands-Familie auf. Er hat sowohl die Wärme wie auch die Strenge damaliger Erziehung im Elternhaus wie in der Schule erlebt. Also insgesamt nichts besonderes Aufregendes, sondern ein – für damalige Verhältnisse – gutbürgerliches Elternhaus.

Religion spielte damals im Leben eine wichtige Rolle. Ein Leben ohne Glauben war unvorstellbar. Glaube und Kirche hatten eine große Macht über das Leben der Gläubigen. Sie bestimmten den Alltag. Wie komme ich in den Himmel, war eine der Grundfragen. Es war durchaus üblich, sich durch großzügige Geldspenden (Ablassbriefe) das ewige Seelenheil zu erkaufen und zu verdienen zu wollen. Denn nach dem Tod erwartete einen zunächst das Fegefeuer. Dort wurden die Seelen gereinigt und geläutert, so dass die Guten in das Paradies eingingen, während die Bösen auf ewig in der Hölle schmorten. Das machte Angst und erhöhte den Druck, fromme Werke zu tun. Der Teufel war eine reale Macht; Ketzer und Hexen wurden verbrannt, Andersgläubige verfolgt, denn es konnte nur einen wahren Glauben geben. Insgesamt ein klares Weltbild mit vielen Ängsten und Druckmitteln.

Mit solch einem Weltbild ist Martin Luther aufgewachsen. Keine leichte Nummer; ich habe vielleicht auch etwas dick aufgetragen, aber im Großen und Ganzen war es damals so: Glaube und Kirche bestimmten das ganze Leben. Der junge Martin Luther war ein sehr gewissenhafter junger Mensch; er nahm den Glauben sehr ernst. Er ging dafür sogar ins Kloster. Er fand aber keinen inneren Frieden. Je mehr er betete, desto unsicherer wurde er, ob Gott ihn wirklich annehmen und gut finden würde. Im Grunde glaubte er das nicht. Gott machte ihm eher Angst, als dass er durch seinem Glauben zur inneren Ruhe und Stärke kommen konnte. Denn Gott sieht alles, und das bedeutete für ihn nichts Gutes. Denn wenn Gott alles sieht, dann sieht er auch, was ich falsch mache. Gott kontrolliert das Leben. Luther konnte also nicht zu sich selbst stehen, er war kein freier Mensch, sondern er war unruhig und getrieben.

Luther war als junger Mensch auf der Suche nach sich selbst. Das sind wir alle, wenn wir jung sind, und wahrscheinlich dauert diese Suche ein Leben lang. Aber Luther fand dann ganz neu einen Ankerpunkt in seinem Glauben, der ihm dabei half, zu sich stehen zu können. Er las in der Bibel und fand eine Stelle, in der davon die Rede ist, dass Gott ohne Vorleistung jeden Menschen liebt und annimmt. Du musst gar nichts dafür tun, dass Gott zu dir ja sagt, egal wer du bist, was du kannst, welche Hautfarbe du hast und woher du kommst. Alle Menschen sind gleich vor Gott. Gott macht da keine Unterschiede, ob du toll aussiehst oder eher normal, ob du dir teure Klamotten leisten kannst oder nicht, ob du Abi hast oder einen Hauptschulabschluss. Gott findet dich gut ohne Vorleistung von dir und ohne Vorbedingung. Dafür musst du nichts tun. Einfach dass es dich gibt, das ist schon toll. Mach was aus deinem Leben. Auch wenn du mal Mist baust in deinem Leben, zu Gott kannst du immer wieder kommen. Gott verurteilt dich nicht, denn er versteht dich. Gott gibt dich niemals auf. Könnt ihr mit solchen Vorstellungen von Gott etwas anfangen? Habt ihr Gottesbilder und Vorstellungen von Gott, und wie sehen sie aus?

Luther jedenfalls wurde durch diese Glaubenserfahrung ein anderer, viel freierer Mensch. Er erkannte, dass andere Menschen nicht über mein Denken bestimmen können. Die Gedanken sind frei. Jede und jeder muss seinen und ihren Weg im Leben herausfinden. Andere können mir nicht vorschreiben, wie ich zu leben und was ich zu denken habe. Das muss ich selber tun. Luther entdeckte für sich die Bedeutung des Gewissens. Das eigene Gewissen ist wichtiger als das, was andere über mich denken. Lass sie ruhig reden…. Hör du vielmehr auf deine eigene, innere Stimme. Prüfe für dich, was dir wichtig ist im Leben, welche Werte für dich eine große Bedeutung haben. Was ist dir wichtig im Leben? Was willst du erreichen? Worauf würdest du verzichten? Was sind Punkte, die für dich nicht verhandelbar sind?

Lass die anderen ruhig reden…. Als Luther aufgrund seiner Lebenseinstellung und seines Glaubens in große Schwierigkeiten mit der Kirche und der Obrigkeit geriet, da hat er nicht gekniffen, auch wenn er Angst hatte. Sein neuer Glaube brachte ihn in reale Lebensgefahr. Er hätte für seinen Glauben auch ins Gefängnis kommen und auf dem Scheiterhaufen enden können. Beispiele dafür gab es genug. Und doch hielt Luther an seiner Überzeugung fest, als er sich vor dem Kaiser in Worms rechtfertigen musste. Er berief sich auf die Bibel und auf sein Gewissen; diese beiden allein bestimmen, was richtig und falsch ist. Nicht was die anderen sagen, oder was die Kirche sagt, oder was die Traditionen sagen („Früher war alles besser und richtig“), sondern ich muss das selber für mich herausfinden. Dann will ich auch zu meiner Meinung und Überzeugung stehen. Egal was die anderen sagen. So dachte Luther aufgrund seines Glaubens, und in dieser Haltung ist er für mich bis heute ein Vorbild. Nicht den anderen Menschen nach dem Mund zu reden, sondern zu meiner eigenen Überzeugung stehen. Und dabei die Meinung des anderen achten. Denn keiner ist besser oder hat die Wahrheit für sich allein gepachtet. Wir müssen fair und auf Augenhöhe miteinander umgehen. Wir können lernen, tolerant zu sein, auch wenn uns die Meinung des anderen vielleicht nicht passt.

So haben Luther und seine Zeit zwar noch nicht gedacht. Manches sahen sie einfach nur schwarz oder weiß. So war das damals bei allen: Mein Glaube ist richtig, und wenn du anders glaubst, dann glaubst du falsch. Richtig oder falsch, gläubig oder ungläubig. Ein Dazwischen gab es nicht. Das ist heute anders, wo wir aus vielen Kulturkreisen und Religionen herkommend friedlich zusammenleben wollen und müssen. Toleranz und Achtung brauchen wir, auch wenn Toleranz ein Wort ist, das erst später entstanden ist. Was wir – finde ich – von Luther lernen können, ist überhaupt eine Haltung und Überzeugung zu haben. Nicht kneifen und die Fahne nach dem Wind drehen, sondern lernen, auch bei Gegenwind zu meiner Überzeugung, zu meinen Prinzipien zu stehen. Wir brauchen Menschen mit festen Überzeugungen, die dabei aber nicht innerlich verhärten und starr sind, sondern offen bleiben auch für die Meinung anderer. Es gibt nicht nur eine Wahrheit, sondern viele. Wir alle können voneinander lernen. Niemand ist schlechter oder weniger wert. Alle sind wir gleich wichtig und wertvoll. Aber es ist nicht egal, was wir denken und fühlen. Vielmehr sollen wir uns einmischen und unsere Meinung offen sagen, dabei aber zugleich bereit sein, dem anderen mit Achtung und auf Augenhöhe zu begegnen, auch wenn wir anderer Meinung sind. Das wäre für mich ein Martin Luther heute, wie wir ihn heutzutage brauchen.

Soweit der Text von Günter Wasserberg.

Nachspann

Wenn dir der Blog-Beitrag gefallen hat oder du noch Fragen hast, schreibe mir doch unten einen Kommentar. Und wenn du nichts verpassen möchtest, abonniere einfach alle neuen Beiträge per E-Mail. Das Formular findest du in der Sidebar rechts oben oder in der mobilen Version weiter unten.

Der nächste Blogbeitrag, diesmal mit einer Info über das, was man an Martin Luther heute eher kritisiert, erscheint am Samstag morgen.

Und ansonsten sehen wir uns bei den Proben! Bis dann, viele Grüße

Gudrun

0 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*