Performance

Auf dem Atem singen

Liebe Sängerinnen,

hinter dieser alles und nichtssagenden Formulierung steckt ein echtes Sängergeheimnis. Und wer es für sich gelüftet hat, für den ist alles klar und dann macht diese Aussage auch Sinn: Auf dem Atem singen.

Ich möchte versuchen, euch zu erklären und erfahrbar zu machen, was sich dahinter verbirgt. (Erst noch nen Glas Wasser holen, könnte wieder länger werden 🙂 )

So, dann wage ich mal einen Versuch. Dabei möchte ich ganz plakativ und extrem vereinfachend die Sängerwelt in zwei Richtungen einteilen (und eine kleine Minderheit dazwischen). Nämlich in die Bratzer und die Haucher. Ups, hässliche Worte, aber ich will es erklären.

Die Haucher

Die hauchig singenden Sänger sind nicht sehr laut, die Stimme klingt luftig, etwas hauchig, hat wenig Kern und Glanz, ist aber dafür sehr schön mischungsfähig mit dem Nachbarn. Der Haucher hat das Problem, dass er schnell zu wenig Luft hat, viel zwischendurch nachatmen muss und das natürlich auch anstrengend ist. Anstrengend, aber nicht so richtig effektiv, denn der Klang ist ja leise. Die Luft rauscht durch die Stimmlippen, ohne vollständig in Klang umgewandelt zu werden. Hier ein Beispiel. Es lohnt sich sehr, das Video ganz zu sehen (ist echt lustig), aber um hauchig zu hören, springt am besten mal direkt zu 4:13 min, da gibt es ein paar hauchige Töne:

Die Bratzer

Nochmal zurück zu dem schönen Video zu 1:27 min. Da wird gebratzt, was das Zeug hält. Hört es euch mal an.

Angehört? Ok. Der Bratzer hat ein paar Vorteile: Alle seine Luft wird in Klang umgewandelt. Er setzt viel Energie ein und bekommt viel Sound. Das fühlt sich gut und effizient an. Und laut. Die Stimme ist voll da, das ist ja das, was man gerne möchte. Ich auch, ich mag das, wenn ein Chor laut sein kann (und auch leise).

Leider macht der Bratzer technisch oft nicht alles richtig. Z.B. geht oft die Kehle ein bisschen nach oben und der ganze Stimmapparat bekommt durch diese Fehlspannung Stress und kann nicht mehr so schön funktionieren (noch bratziger). Die Stimme ermüdet, vielleicht klappt der hohe Ton nicht mehr so gut, oder der lange Ton oder so. Also noch mehr drücken. Puh.

Leider klingt das auch nicht so schön, ist auch nicht so mischungsfähig im Klang und oft in der genauen Tonhöhe (Intonation) etwas ungenau, normalerweise zu tief. Das ist also auch nicht optimal.

Auf dem Atem singen

Kommen wir zu dem süßen Punkt in der Mitte von beidem: Der frei auf dem Atem dahinfließenden Stimme. O, klingt gut oder? Klingt wie Gleiten beim Windsurfen oder Wedeln beim Skifahren oder Kraulschwimmen: Wenn man es kann, ist es ganz einfach und wunderschön.

Die gute Nachricht für alle Haucher: für euch ist es leichter, ihr müsst was mehr machen (Stimmbandschluss). Schlechte Nachricht für alle Bratzer: ihr müsst erstmal Hauchen lernen. ????

Ich habe ja oben beim Bratzen diese Folge von möglichen Fehlspannungen beschrieben. Sich davon was abzugewöhnen, ist echt schwer, das kann Jahre dauern, braucht guten Unterricht und viel Geduld, Körpergefühl und ein gutes Ohr. Die beiden Systeme Bratzen und Hauchen sind wie zwei Gegenspieler. Will man Ausgeglichenheit und Balance, muss man einen Ausgleich zwischen beiden schaffen. Allerdings ist die Bratz-Seite immer die Starke. Man muss sich also als Bratzer um die Entwicklung und Kultivierung der Hauchseite kümmern und hoffen, dass dabei die Bratz-Seite ein bisschen schwächer wird. Manchmal ist das so nach einer Erkältung. Man ist noch ein bisschen heiser, kann in einer bestimmten Lage aber schon total gut singen, aber die Power in der Stimme ist noch nicht da oder man singt auch ein ganz kleines bisschen heiser. Da kann man eine Idee davon bekommen, wie es ist, wenn die Bratz-Seite etwas geschwächt ist, dann kann die Hauchseite sich entwickeln.

Für die Haucher: Einfach mal laut singen. Auf i zum Beispiel. Und Pressen. Danach wieder so singen wie vorher. Hat sich was verändert? Sind Töne und Vokale klarer geworden? Das kann ein Weg sein, ist aber ohne Einzelstimmbildung auch nicht ganz ohne.

Ich fange ja das Einsingen immer auf uh an, weil man da hauchen muss und echt nur, wenn man es ganz schlimm macht, bratzen kann. Das ist wie das Eis im Winter auf dem Teich. Erstmal mit nem leichten Gewicht probieren, ob es schon hält, dann mutiger werden. Und am besten nicht einbrechen – äh, einbratzen, denn dann ist es vorbei mit „Auf dem Atem singen“. Alles klar?

Viele Grüße

Gudrun

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