Liebe Sängerinnen, liebe Sänger,
heute möchte ich euch die Story des Luther Oratoriums weitererzählen. Wer die ersten zwei Teile noch nicht gelesen hat, kann das hier und hier schnell nachholen. Das Beitragsbild zeigt den Wormser Dom, der übrigens auch in Natura extrem beeindruckend ist. Dabei ist er nur der kleinste der drei rheinischen Kaiserdome. Die anderen stehen in Speyer und Mainz. Aber nun zum Luther Oratorium:
Das Setting in Worms (Lieder 3 bis 9)
Ort des dramaturgischen Geschehens des Luther Oratoriums ist der Reichstag zu Worms. Vom 27. Januar bis zum 26. Mai 1521 trafen sich dort alle Mächtigen West- und Südeuropas. Es ging insbesondere um Verteidigungsfragen gegen die Türken, aber es wurden auch Grundentscheidungen getroffen, die später zur Spaltung der Habsburger in eine spanische und eine österreichische Linie führten.
In den Liedern 3 bis 9 wird der Zuschauer in diese Situation eingeführt. Alle beteiligten Interessensgruppen werden mit ihrer Sicht der Dinge auf Luther und seine 95 Thesen in den folgenden Songs vorgestellt.
Lied 3: In Worms ist Reichstag
Das Volk in Worms ist guter Stimmung, weil Worms gerade der Nabel der Welt ist.
Hier muss was sein, hier ist was los.
Die ganze Welt ist hier zu Gast.
Die Stadt ist klein, der Spass ist gross.
Wer hier nicht ist, hat was verpasst.
Hier wird regiert und intrigiert.
Hier wird geliebt, hier wird gehasst.
Wir sind genau da, wo’s passiert.
Und dann werden auch schon alle angereisten Gäste für den Reichstag aufgezählt:
Kaiser Karl, spanische Granden, Venezianer, Franzosen und Polen, Juristen, Minister, päpstliche Boten, Soldaten und Mönche, Begleiter und Knechte, Diener und Köche, Mätressen und Schreiber, Gauner und Bettler, Händler und Spieler, Glücksritter und Huren.
Und natürlich auch Martin Luther:
Der Mönch aus Wittenberg kommt her,
und jeder ist gespannt auf ihn.
Wie sieht er aus, wie redet er?
Ist er verlorn? Wird ihm verziehn?
Wir wissen alle, was ihm droht,
dem Kaiser kann er nicht entfliehn.
Es geht um Leben oder Tod.
Es geht um Leben oder Tod. Letzten Endes kann ich mir vorstellen, dass Martin Luther auch den Tod in Kauf genommen hätte. Allerdings wird die Geschichte ja immer von den Siegern geschrieben. Und ich vermute, dass die Reformation mit einem 1521 verbrannten Martin Luther nicht so erfolgreich gewesen wäre, wie sie es letztlich war.
Die Musik ist eine schöne Swing-Nummer mit Big-Band-Elementen. Ein richtiger Gute-Laune-Song, macht viel Spaß!
Lied 4: Martins Ankunft
Das Volk in Worms freut sich auf Martin Luther und nach einer kurzen Einleitung hat der Held dieses Oratoriums eine schönes, vielleicht stilistisch etwas sehr balladiges Solo. Mir persönlich kommt die Musik etwas zu süßlich rüber. Aber Luther setzt ein klares inhaltliches Statement:
Ihr irrt euch in mir, ich bin nicht Euer Mann.
Ihr wollt einen, der die Welt ändern kann.
Doch mir geht es nur um Gottes Wort.
Sonst nichts.
Das Volk ist enttäuscht und empört hat Zweifel an Luthers Absichten, seiner Persönlichkeit und seinen Äußerungen:
Sicher stimmt es nicht, dass Gott mit uns spricht. Denn das hieße ja, Priester braucht man nicht mehr. […]
Ist der Papst im Recht? Macht man ihn nur schlecht? Weiß denn irgendwer, was er wirklich will?
Lied 5: Multiplikation
Ein Loblied auf Gutenberg, den Erfinder des Buchdrucks! 1450 erfand er den Buchdruck mit beweglichen Metallbuchstaben und verbilligte damit die Herstellung von bedrucktem Papier. Damit kam es zu einer Verbreitung von Büchern und Schriften in bis dahin unbekanntem Ausmaß. Davon hat auch die Reformation profitiert, denn das neue Gedankengut, Luthers neue Lieder und weitere Schriften konnten so eine große Verbreitung finden. Klöster verlieren ihr Wissensmonopol, damit verliert der Papst auch an Macht.
Am Ende dieses Liedes tritt der Herold, heute würde man ihn vermutlich Regierungssprecher nennen, auf und kündigt das Verhör Luthers für den folgenden Tag um 16 Uhr an.
Lied 6: Weg mit dem Mönch!
Nun hören wir die Position der Dominikanermönche:
Gott, steh uns bei, mach uns frei von Ketzerei.
Luther bedroht aus Sicht der Dominikaner die Reinheit und Unschuld der Kirche.
Die Lösung heißt: Weg mit dem Mönch!
Aus kirchlicher Sicht ist dieser Satz im Jahre 1521 durchaus als lebensbedrohlich einzustufen. Armer Martin Luther.
Musikalisch gibt es ein paar Stellen, in denen es Andeutungen von Mönchsgesang gibt, das ist ganz schön gemacht. Eine bedrohlich düstere Atmosphäre bleibt…
Lied 7: Selber denken!
Martin Luther kommt wieder zu Wort und dankt Gott für die Fähigkeit des selbständigen Denkens.
Ich will selber denken was gut und richtig ist.
Auch, wenn sie mich Ketzer nennen,
Und mich zerrn vor ein Gericht.
Und selbst, wenn sie mich verbrennen:
Meinen Glauben nehmen sie mir nicht.
Lied 8: Ablass
Für mich ist das Lied „Ablass“ eine der gelungensten Nummern des ganzen Luther Oratoriums. Der Ablassprediger erklärt mit fröhlicher Musik im Swing das Prinzip des Ablasses:
Wenn das Geld in den Kasten fällt, springt die Seele aus dem Feuer.
Und natürlich wird mit fiesen Höllenszenen gedroht für alle Lebenden und auch die Verstorbenen. Was für ein perfides Geschäft!
Lied 9: Machtspiel
Die letzte Partei im Mächtegerangel in Worms um 1521 wird im 9. Lied vorgestellt: Kaiser Karl V. 1521 gerade 21 Jahre alt wird der Kaiser im Luther Oratorium als nur bedingt integer, dafür aber als ausreichend selbstbewusst dargestellt. Er muss sich an seinem angesehenen Vater messen lassen, hält sich für schlau in der Politik. Heerscharen von Beratern dröhnen ihm ins Ohr, Loyalität und Ehrenhaftigkeit sind nicht die zuerst genannten Charaktereigenschaften des jungen Regenten.
Man muss ihm zugute halten, dass er sich in späteren Jahren mit der Gegenreformation (Erneuerungsbewegung innerhalb der Katholischen Kirche) durchaus weiter um eine Einheit in Europa bemüht hat. Seine Position hier im Luther Oratorium ist aber eine andere: er will alles tun, um seine Macht zu stärken. Dafür ist er auch bereit, Versprechen zu Zusagen zu brechen.
Relativ oft kommt auch der Einwurf „Die Deutschen sollen zahlen“ vor. Naja. Das ist ja ein Satz, den man auch heute durchaus noch hören könnte. Halten wir mal den Ball flach: alle sollen zahlen. Aber da man am meisten sieht, was man selbst zahlt, erscheint das oft überproportional viel. Ist es nicht so?
Nachspann
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Der nächste Blogbeitrag, weiter in der Geschichte des Luther Oratoriums, nämlich die Verhöre, erscheint am Montag morgen.
Und ansonsten sehen wir uns bei den Proben für das Luther Oratorium. Bis dann, viele Grüße
Gudrun
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